Der kleine Geschichtenwettbewerb - Kapitel 2

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BladeRunner

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Betreff: Der kleine Geschichtenwettbewerb - Kapitel 2

BeitragDi, Aug 26, 2014 20:50
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Hallo meine Lieben!

Erinnert ihr euch noch an den kleinen Geschichtenwettbewerb?
Damals war eure Aufgabe eine Kurzgeschichte mit übernatürlichem Kontext zu schaffen.
Mein Beitrag hatte die Ehre des Sieges, und nun möchte ich das nächste Kapitel dieses Wettbewerbes eröffnen.

Bei meinem Beitrag wurde folgende Kritik angemerkt:
Zitat:
Könnte nur noch besser sein, wenn der Effekt der Visionen auf das Leben etwas mehr beschrieben würde.


Nun denn, da haben wir es, eure Aufgabe lautet wie folgt:

Schreibt eine Kurzgeschichte, basierend auf 'Das Center', die die Einflüsse der Visionen auf das Leben der/des Protagonistin/en verdeutlichen. Euren Ideen sei freier Lauf gegönnt, ob ihr nun eine weitere Vision spinnt die direkte Auswirkungen hat, eine Erklärung für die Visionen im Realen liefert oder auch direkt an der gegebenen Erzählung ansetzen wollt.

Damit ihr Ausgangsmaterial habt, hier nochmal mein Beitrag vom ersten Wettbewerb:
Zitat:
Die Welle überfiel mich als ich das Center grade betreten hatte.
Eigentlich wollte ich nur kurz durchbummeln. Einen dieser Pizzafladen in mich schaufeln, während ich mir die Zeitschriften bei der Dame im Erdgeschoss angucke die immer so misstrauisch über ihren Tresen lugt. Danach vielleicht noch einen kurzen Abstecher zum Elektronikhändler meines geringsten Mißtrauens und die Musik-Abteilung durchwühlen, auf der Suche nach ein paar Tönen die mir das Herz wärmen. Zum Abschluss noch ein bissel in Klamotten stöbern und dann ab nach Hause.

Das Center war eins dieser Konglomerate die in den 70ern des letzten Jahrunderts wie Pilze in den Innenstädten gesprossen waren, in diesem speziellen Fall eines in Familienhand. Drei Viertel der Geschäfte hatten den selben Namen über den Eingangstüren, das letzte Viertel war die Gastronomie und der schon erwähnte Elektrodealer.
Der Baustil war bestenfalls als Betonplattenidyll zu beschreiben, eine Sammlung spitzer Winkel und mehr oder weniger sinnvoll angelegter Passagen und Verkaufsräume die sich um das zentral gelegene Konstrukt aus Rolltreppe, Marmoraufgang und ("wir sind versehrtenfreundlich") dem obligaten Aufzug erstreckten.
Vor den einzelnen Geschäften hatte der Architekt in einem Anflug ökologischer Ader Blumenbeete eingeplant, die zwei oder dreimal im Jahr mit passenden Gewächsen versorgt wurden. So weit, so spiessig.
Nichts desto trotz war ich gern hier, was wohl auch an der Möglichkeit lag das Parkhaus kostenlos zu benutzen und weil man in der Tat nahezu alles besorgen konnte was nicht von einem der Discounter auf der grünen Wiese feilgeboten wurde.
Ich stand also im Eingang, hinter den Schiebetüren aus Glas, einem jener seltsamen Multifunktionskonstrukte die man komplett zur Seite schieben kann oder aber auch als Schwingtür nutzen, was derzeit auch der Fall war. Der Frühling hatte grade erst Fahrt aufgenommen, es war wohl noch zu frisch um mehr Aussenluft einzulassen. Die Umwälzanlage über den Türen würde auch so schon zu kämpfen haben. Gerade als ich meine Schritte zu den Pizzafladen - dekorativ eingepfercht in einem ebenso unter dem Treppenaufgang eingesperrten Lädchen- lenken wollte kam der Kopfschmerz, und mir wurde sofort schlecht. In meiner Nase pochte fauliger Gestank, ein süsslich-schwerer Odem der Verwesung. Meine Augen fingen in den Höhlen an zu Pochen, der Sicht kurzfristig beraubt, nur Auren umwaberten dass was die überstrapazierten Sehnerven nun stakkatoartig als Information ins Sehzentrum zu feuern versuchten.
Ich krümmte mich, stand kurz vorm Erbrechen. Die olfaktorische Sensation hatte mich so unbedarft und unvorbereitet erwischt wie schon lange nicht mehr, und die leise Hintergrundmusik des Centers (es hätte auch das belanglose Gedudel eines Pornostreifens der 80er sein können) verschob sich mit einem zunehmenden Zerren in den Infraschallbereich und liess mich mit weiteren Schmerzen zurück.
Als das Bild wiederkehrte wusste ich schon ansatzweise was mich erwarten würde, denn die Visionen begleiteten mich ja schon zeitlebens.
Der Fladenstand war verschwunden, das Bild wirkte kalt und tot.Der Treppenaufgang, übersäht mit Unrat, der Marmor aufgeraut und zerschlissen. Über das komplette Erdgeschoss hinweg war die Deckenverkleidung- einst weisse Platten mit einem lächerlichen Bubble-Muster - weggerissen und ins dem Eingang entgegengesetzte Ende geblasen worden, gestapelt an den ausgebleichten, kohligen Resten der Kassenhäuschen des Elektronikmarktes.
Der Verwesungsgeruch alternierte, ich konnte nun diverse Arten der Fäulnis erkennen. Totes Wasser welches seinen Weg durch pilzsporenbefallenen Beton ging. Gammlige Kabelisolationen, dort wo die Elektrik des Hauses seine Eingeweide unter den fehlenden Platten zu Boden fallen lies.
Faulende Spanplatten, die vorher kraftig angeröstet wurden. Verbranntes Haar. Totes, gequältes Fleisch.

Ich zittere, meine Därme winden sich rasend in meinem Leib, und meine Haut ist so aufgewühlt dass man auf der Hühnerhaut die sich infolge dessen bildet problemfrei Kartoffeln reiben könnte. Ich blicke zurück zum Eingang, das Glas ist verschwunden, weggeblasen von der Druckwelle. Widersinnigerweise scheint draussen die Sonne, ein Kontrast zu dem dunklen Tod hier. Ich kann nur Schemen im Licht erkennen, doch auch sie berichten vom Tod. Da draussen ist es nicht besser. Bleib hier. Ich stolpere vorwärts, von einer bösen Ahnung angetrieben. Unter meinen Füßen knirscht zu Staub zerblasenes Glas, Putzbrocken und diverser Unrat ergänzen die Empfindung jedes Schrittes zu einer Kakophonie des Unwohlseins. Richtung Treppenhaus, dem Eingang der Tiefgarage. Die Brandschutztüren sind geschlossen, schweres, ankorrodiertes Metall welches schon lange seine Schutzfarbe verloren hat. Schon lange? Wie lange ist es wohl her? Vor den Schutztüren liegt verbranntes Holz, sinnlos ineinander verkeilt, kohlig und tiefschwarz.
Nein.
Es ist kein Holz.
Es sind die die zu spät kamen. Die noch rannten, hofften, an die Tür schlugen, verzweifelt und schreiend während die Sirenen draussen das letzte Lied sangen. Wie lange es wohl dauern mag bis aus Fleisch Kohle wird? Ich habe mir die Frage schon öfter gestellt, eigentlich immer wenn mich die Vision ereilt, egal wo es geschieht. Der Mensch ist so zahlreich, man sieht seine Reste überall.
Tief in mir glüht ein Funken Hoffnung, das innige Bangen dass ihr Leben in Sekundenbruchteilen endete. Mein Geist hört ihre Seelen schreien, verzweifelt, hilflos, gefangen in diesem Alp. Zuviel Leid für ein rasches Ende, meine Hoffnung stirbt mit. Und zuviele Stimmen für dieses kleine Häufchen Kohlen. Ich wate durch die Verbrannten, ziehe an der Brandschutztür, öffne sie langsam und unter grauenvoll lautem Quietschen. Die reste des rostzerfressenen Schliessers fallen zu Boden, doch das bemerke ich kaum. Ich steige in die Garage, wo es weniger verbrannt doch um so süßer riecht. Hier hatte die Druckwelle keine Handhabe. Auch das Feuer trat nicht ein. Doch den Sauerstoff fraß es weg, und so blicke ich auf ein Leichenfeld ohne Gräber. Ein gewaltiges Mausoleum. Auto neben Auto, dazwischen mumifizierte Leichnahme. Eine Mutter die ihr Kind in Armen hält, beider Gesicht in einem starren Grinsen erstarrt, als das Fleisch im Wasserverlusst schwand und die Zähne blecken liess.
Hier ist das Schreien laut, mein Kopf will zerspringen. Die Sirenen haben nie aufgehört den Tod zu besingen. Ich übergebe mich in die Tiefgarage, kann kaum atmen vor Schmerz und Trauer um das Tier das seinen eigenen Tod schuf. Ich gehe zu Boden, lande mit den Knien in meinem Erbrochenen. Egal. Lass mich sterben, bitte. Dunkelheit umfängt mich.

"Kann ich Ihnen helfen? Brauchen Sie einen Arzt?" Die Stimme klang besorgt, ängstlich. Ich öffnete meine Augen, auf den Knien sitzend, Erbrochenes im Mundwinkel. Der Mann schaute mich fragend an, die Tür seines Wagens stand noch offen, er hatte wohl grade noch so gebremst als ich aus dem Treppenhaus in die Tiefgarage gestolpert war und mich erbrach.
Die Vision war vorüber.
Zumindest für dieses mal.
Lass es nur Alp sein. Keine Vision.


Ab an die Tasten, der Wettbewerb läuft bis 30.9.2014, Ihr habt also genügend Zeit kreativ zu sein.
Ich freue mich auf eure Beiträge.
Zu Diensten, Bürger.
Intel T2300, 2.5GB DDR 533, Mobility Radeon X1600 Win XP Home SP3
Intel T8400, 4GB DDR3, Nvidia GF9700M GTS Win 7/64
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SpionAtom

Betreff: Der zerbrochene Spiegel

BeitragSa, Sep 27, 2014 5:23
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Und wieder überkam mich eine Welle.
Diesmal in meinen eigenen vier Wänden. Ich wohne ganz oben im dritten Stockwerk in einer beschaulichen 45 Quadratmeter Wohnung.
Aber dort, wo die Decke des Wohnzimmers sein sollte, klaffte ein großes Loch, welches die feurige Abendröte mit voller Intensität eindringen ließ.
Dort, hinter dem Fernseher, wo das Fenster angebracht war, war nichts mehr. Einzig zwei Metallstreben verrieten, dass an dieser Stelle mal eine Wand gewesen sein muss.
Der Blick nach draußen ließ mich das Ausmaß der Zerstörung erahnen. Alles war weiß vom Ascheregen, die Häuser im Umkreis waren nur noch ein verkrüppeltes Abbild ihrer Vergangenheit, die blattlosen Bäume standen reglos da und schienen die rote Sonne anzustarren, die Straßen waren voll mit Autowracks.
Der Fernseher war zerfallen in kleinste Teile, die hölzernen Regale waren Asche, verteilt über den Wohnzimmerboden.
Ich taumelte über den Film aus Asche, Schutt und Staub und landete dort, wo eigentlich der Flur hätte sein sollen. Ich konnte die Küche sehen, denn eine trennende Wand gab es nicht mehr. Das Spülbecken war übersäht mit silbernen Pilzen und das Efeu fand seinen Weg über die Küchenfenster hinein.
Ich stolperte durch die einzig verbliebende Tür ins Badezimmer, zwei Stufen ging es herunter. Der Duschvorhang war nicht mehr. Einige wenige Ringe, die der Befestigung dienten, hingen noch lose an einer Stange. Das Waschbecken hatte einen großen Sprung. Darüber war der Spiegel, etwas angestaubt, aber sonst intakt. Und mich schaute das einzige Lebewesen an: Mit zotteligen Haaren, mit entsetzem Blick, zudem ungläubig, beugte es sich über den Waschbeckenrand und näherte sich von der anderen Seite dem Spiegel.
Schwarz.
Als ich wieder zu mir komme, sehe ich mich im Spiegel, klar und ungetrübt. Kein Staub mehr. Noch immer stehe ich über dem Waschbecken gebeugt. Kein Sprung mehr in der Keramik. Ich bin zurück. Reflexartig reiße ich die Hände zum Spiegel - ich muss mich vergewissern, dass ich nicht mehr träume. - Der Spiegel löst sich von der Wand und zerfällt krachend in tausend Einzelteile. Ich bin wach. Die rote Abendsonne lugt noch immer etwas durch das Fenster. Ich schneide mich an einer der Scherben.
Und plötzlich trifft es mich wie ein Blitzschlag! Der Spiegel! Er ist kaputt! Aber ich habe ihn unversehrt gesehen! In einer Vision, die ich immer für die unvermeidbare Zukunft gehalten habe. Eine nahe Zunkunft ohne Leben, ohne Hoffnung. Immer mehr realisiere ich, dass ich stets nur die mögliche Zukunft gesehen habe. Ich kann noch handeln. Ich muss!
os: Windows 10 Home cpu: Intel Core i7 6700K 4.00Ghz gpu: NVIDIA GeForce GTX 1080

BladeRunner

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BeitragMi, Okt 01, 2014 21:24
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Mangels weiterer Teilnehmer küre ich ohne weitere Abstimmung den guten alten Spion zum Sieger.
Glunsch!
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DaysShadow

BeitragSo, Okt 05, 2014 20:52
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.....
Blessed is the mind too small for doubt

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